7/21/2009

Unions-Altlasten II

Aus "Die Stimme" (VÖ 1940 in Stunden der Wandlung):
(Im Radio ist eine Rede Hitlers zu hören.)
„Lauschend bleiben alle stehen, und als Gast sehe ich verwundert in ergriffene Gesichter. Diese Stimme! Ja, diese Stimme! Voll und tönend, mahnend, keinem Deutschen fremd, diese Stimme, die so voll des Glaubens ist. […]
Durch die Schar der Jungen und der Alten geht heißbewegt ein Atem. Es erfasst mich wie ein Sturm, seltsam und geheimnisvoll. [...]
Leise rührt die Frau an meine Schulter. Eine Träne glänzt in ihren Augen. „Welche Kraft gibt uns diese Stimme“, sagt sie dankbar und ergriffen. [...]“


Aus "Von der Stunde der Verwandlung" (VÖ 1940 in Stunden der Wandlung):
(Fiktive Briefe eines Soldaten an seine Frau)
„Aber Soldatsein ist eine Leidenschaft, eine Berufung, […] weil es den einzelnen Menschen überwindet und so eine starke Gemeinschaft schafft.“ (S.58)
„Der kriegerische und kämpferische Instinkt erwacht in einer reinen und edlen Form. Die Selbstbehauptung, das Stärkersein, das Siegenmüssen wird zum inneren Befehl.“
(S.61)

Beide Auszüge stammen von Kurt Ziesel, auch er hat mit Hilfe von FJ Strauß eine große Karriere hingelegt, nicht in der Union, aber immer in ihrer unmittelbaren Nähe.
Im Dritten Reich hetzte Ziesel gegen "Juden und Judenknechte", gegen "Volkszersetzende Schädlinge", nach dem Krieg stellte er sich selbst als Widerstandskämpfer gegen das Regime dar, rückte dafür Andere in die braune Ecke ("und was nun Thomas Mann betrifft, der so unbarmherzig über jene richtete, die einst Hitlers Zielen dienten: man sieht, daß selbst er gewissermaßen auch zu seinen geistigen Wegbereitern gehörte."). Er klagte und hetzte gegen Linke und Intellektuelle (z.B. Böll, Willy Brandt), bezeichnete Grass als "Verfasser übelster pornographischer Ferkeleien" und unterstützte FJ Strauß in der Spiegel-Affäre, in dem er dessen Gegner mit Klagewellen überzog.
1969 war er übrigens Mitgründer des "Komitee zum Schutz der Bürger vor Diffamierungen durch die Linkspresse".

1966 war er Gründungsmitglied der Deutschland-Stiftung, die unter seinem Einfluss bald stark nach rechtsaußen rutschte und eher das Ansehen einer "unseriösen nationalistischen Sekte" hatte. Unter der sozialliberalen Koalition (1969-1982) gewannt die Deutschland-Stiftung jedoch stark an Einfluss in der Union und auch Ziesels Image besserte sich stetig -
1971 ehrte FJ Strauß ihn mit einer öffentlichen Würdigung
1976 gratulierten Helmut Kohl, FJ Strauß und Axel Springer zum 65.
1984 begleitete Ziesel Kohl auf einer Israel-Reise
1986 dankte Wolfgang Schäuble ihm für 50 Jahre publizistische Tätigkeit...
Spätestens 1994 als Helmut Kohl den Konrad-Adenauer-Freiheitspreis von der Deutschland-Stiftung annahm, war Ziesel und seine vormals als nationalistische Sekte bekannte Stiftung wieder hoffähig. 1996 lobte Kohl Ziesel für sein "Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung", 1998 nahm Schäuble den Adenauer-Preis an und 2001 adelte Stoiber Ziesel mit der Aussage, jeder Historiker werde sich „auch mit Ihnen und Ihrem Wirken beschäftigen müssen. Und Sie dürfen dies als Auszeichnung empfinden.“

Ich habe an Ziesel und seinem Wirken nichts gefunden, was Stoibers Aussage rechtfertigen würde... aber das liegt wahrscheinlich nur daran, dass ich kein Historiker bin.

Das Lexikon Nationalsozialistischer Dichter über Kurt Ziesel (Von Jürgen Hillesheim, Elisabeth Michael)
Und gestern, da hörte uns Deutschland (von Stefan Busch)
Leider fehlen bei Google Books immer wieder ein paar Seiten.
Schicksal ohne Schuld (Lesenswerter Artikel in der ZEIT)

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