4/22/2009

Missbrauch in der Kirche

Nachtrag zu Blog-Eintrag Mixa

SPON hat einen - zugegebener Maßen etwas älteren - Fall von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche ausgegraben, das aber nicht ohne aktuellen Anlass. Der ehemalige Pfarrer Wolfdieter Weiß, der schon seit 20 Jahren immer wieder im Verdacht steht, schutzbefohlene Kinder sexuell zu belästigen, wurde 2000 vom Landgericht Coburg zu zwei Jahren auf Bewährung und zur Zahlung von 12.000€ Schmerzensgeld verurteilt, das Urteil wurde 2001 vom BGH bestätigt. Jetzt schickt der feine Herr (Ex-) Pfarrer seinen Opfern Privatdetektive auf den Hals, die aus den Kindern die Aussage rausholen sollen, dass das damals ja vielleicht alles gar nicht so schlimm war.
Man mag entgegnen, dass das ja ein Einzelfall war, deswegen jetzt eine Mitschuld der katholischen Kirche abzuleiten, wäre falsch. Dem widerspreche ich, hier und hier lässt sich vielleicht nachlesen, warum ich zumindest dem Bistum Würzburg eine gewaltige Mitschuld anlaste.
Schon 1985 kamen erste Verdachtsmomente auf, dass Weiß Kinder sexuell missbraucht - Konsequenz daraus war, dass Weiß auf seine Pfarrstelle verzichtete und in einen anderen Ort versetzt wurde.
1986 stand Wolfdieter Weiß wegen sexuellem Missbrauch vor Gericht und wurde verurteilt, das Berufungsverfahren wurde gegen Geldbuße eingestellt. - Konsequenz war, dass Weiß in einen anderen Ort versetzt wurde. 1998 kam es zu einem öffentlichen Eklat, als ein Vater in der Weihnachtsmesse Pfarrer Weiß des sexuellen Missbrauchs beschuldigte, 2000 landete Weiß schließlich wieder vor Gericht und wurde verurteilt.
Da zog also - überspitzt formuliert - ein bekannter, verurteilter Pädophiler durch das Bistum Würzburg und wurde von seinen Kollegen und Vorgesetzten immer wieder auf neue Positionen versetzt, so dass er sein krankes Spiel alle paar Jahre wieder von vorne beginnen konnte. Ihm wurden sogar noch Empfehlungsschreiben mitgegeben und die Zahlungen von Prozesskosten und Schmerzensgeld musste er natürlich auch nicht selbst tragen.
Wolfdieter Weiß wurde übrigens vor kurzem von seinem Vorgesetzten auf einem Kinderfest in Würzburg angetroffen, wo er angeblich auf jemanden warten würde. Sein Vorgesetzter (Generalvikar Hillenbrand) hat ihn des Platzes verwiesen - immerhin einer, der etwas gegen Kindesmissbrauch in seiner Kirche unternimmt.

Aber eigentlich wussten wir ja alle, dass der ganze Käse, den Mixa den Atheisten vorgeworfen hat mindestens genauso schlimm in der katholischen Kirche selbst vorzufinden ist.

4/20/2009

BILD vs. Klinsmann

Kurze Vorgeschichte:

Dass die BILD-Zeitung am liebsten Klinsmanns Kopf auf der Titelseite präsentieren würde, wie dies einst ihr polnisches Äquivalent "Super Express" mit Ballack und Löw tat, ist ja schon lange kein Geheimnis mehr.
Angesichts der miserablen Platzierung der Bayern (3 Punkte Rückstand auf Platz 1, 28. Spieltag) spekuliert die BILD seit Wochen über potentielle Klinsmann-Nachfolger - genannt wurde dabei alles, was Rang und Namen hat und schonmal einen Fußball zumindest aus der Ferne gesehen hat.
Neuester Opfer der BILD'schen Namenslotterie: Matthias Sammer.
Der wehrte sich vehement, nannte diese Spekulationen "unsäglich" und respektlos den Verantwortlichen gegenüber.

Nun seh ich heute morgen zufällig die DSF-Sendung "Doppelpass", einer der "Experten" ist Jörg Althoff, Sportfuzzi bei der BILD und dieser nutzt natürlich die Möglichkeit, auch außerhalb seines Käseblattes an Klinsmanns Stuhl zu sägen. Auf die Spekulationen um Matthias Sammer angesprochen, die natürlich auch von der BILD und BILD.de verbreitet wurden/werden, wurde er etwas kleinlaut und sagte sinngemäß, dass er gehört habe, dass Kahn ein Konzept für Schalke 04 erarbeitet habe, dass bestimmt auch Uli Hoeneß gesehen habe, und in diesem Konzept sei als möglicher Trainer Matthias Sammer aufgetaucht.
Reichlich wenig Informationen also, vor allem auch, wenn man bedenkt, dass Sammer mit dem DFB einen Vertrag bis 2013 hat.

4/16/2009

Lesenswert: Missbrauchsopfer gegen Internetsperren

Nachtrag zu Blog-Eintrag "Kinderpornographie"

Die Zeit hat ein Interview mit Christian Bahls (dem Gründer der Initiative "Missbrauchsopfer gegen Internetsperren" MOgIS) veröffentlicht.
Dieser wehrt sich vehement dagegen, als Missbrauchsopfer nun erneut von Innen- und Familienministerium für ein Zensurgesetz missbraucht zu werden. Er betont dabei vor allem die Wirkungslosigkeit des Zensurgesetzes und schildert sein Bemühen, das Familienministerium auf Kinderporno-Server in Deutschland hinzuweisen - als er nachfragte, wie der Stand der Ermittlungen sei, teilte man ihm mit, dass sein Hinweis gerade zwischen den Abteilungen hin- und hergeschoben werde. Und das bei einem Server der laut Bahls mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5% in Deutschland steht und auf dem vermutlich 18 Kinderpornographische Domains laufen.
Glückwunsch und Dank an Frau von der Leyen, für ihren energischen Einsatz gegen Kinderpornographie.
Es heißt, dass jedes Land die Politiker kriegt, die es verdient... ich protestiere!
Ich schäme mich für so manchen Politiker in unserem Land - Jedes Unternehmen, dass von so einem inkompetenten, selbstsüchtigen, machtgeilen Pack geleitet würde, währe nach kurzer Zeit hinüber - Wenn jemand eine Idee hat, wen man guten Gewissens noch wählen kann, soll er mich bitte informieren, bald sind Wahlen und die Regierung überschlägt sich schon wieder mit idiotischen Wahlkampfversprechen.

Schöne neue Welt

Ein Polizist hat bei einem "Gedenkprotest" ("memorial protest") für Ian Tomlinson eine Frau mit seinem Schlagstock angegriffen, nachdem diese ihn als "fucking murderer" beschimpft hatte.

Ian Tomlinson war bei den G20-Protesten anfang April an einem Herzinfarkt gestorben, nachdem er kurz zuvor von Polizisten in riot gear (Helm, Schild, ...) von hinten angegriffen wurde.

Der Guardian warnt Besucher der im Titel verlinkten Seite, dass das Video ganz böse Wörter enthält - also, wer darauf Wert legt, dass sein Polizeigewalt-Video nicht durch böse Schimpfwörter beschmutzt wird, der macht bitte den Ton aus.

Nachtrag (21.04.2009)
Tomlinson starb nicht an einem Herzinfarkt, sondern an inneren Blutungen.

4/14/2009

BILD.de warnt vor Datenklau

BILD.de warnt in einem Artikel vor den Gefahren, die im Netz lauern. Einmal in sozialen Netzwerken unachtsam gewesen, und schwupps sind deine persönlichen Daten bei irgendeinem skrupellosen Unternehmen, dass schamlos Profit aus ihnen schlägt.
BILD.de zitiert dazu das Bundesdatenschutzgesetz:

Laut Bundesdatenschutzgesetz ist dies (Datendiebstahl aus sozialen Netzwerken) zwar nur erlaubt, wenn die Daten öffentlich zugänglich sind. Also NICHT, wenn man sich zum Abrufen anmelden muss. Trotzdem tauchen auch immer wieder die eigentlich geschützten Daten auf.

Ja das ist schon verrückt, was in diesem "Internetz" alles möglich ist, immer wieder tauchen geschützte Daten irgendwo auf.
Danke auch an bildblog.de, wo dieser skandalöse "Datenklau" akribisch dokumentiert wird.

Mixa

Damit nicht der Eindruck entsteht, ich würde lediglich CDU/CSU-Bashing betreiben, möchte ich dem alten Hooligan Mixa etwas (unverdiente) Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Da war also diese sensationelle Predigt am Ostersonntag in Augsburg – in Bayern kann man solche Zoten wahrscheinlich noch reißen, da ist die Welt noch in Ordnung. Leider veröffentlichte das Bistum vorab schon ein paar Zitate, die schon bald Wellen schlagen sollten:

"[...] Wo Gott geleugnet oder bekämpft wird, da wird bald auch der Mensch und seine Würde geleugnet und missachtet. Eine Gesellschaft ohne Gott ist die Hölle auf Erden [...]"
"[...] Die Unmenschlichkeit des praktizierten Atheismus haben im vergangenen Jahrhundert die gottlosen Regime des Nationalsozialismus und des Kommunismus mit ihren Straflagern, ihrer Geheimpolizei und ihren Massenmorden in grausamer Weise bewiesen [...]"
"[...] Jesus Christus und die Kirche stehen immer auf der Seite des Menschen, weil jeder Mensch ein Kind Gottes ist [...]"
Wo der christliche Glaube schwinde, komme deshalb nicht das "[...] helle Licht irgendeiner fröhlichen Aufklärung [...]" zum Vorschein.

Diese herrlichen Äußerungen schreien natürlich geradezu nach Kommentaren.
  • Mit "Atheisten" meint Mixa offensichtlich die ekelhaften Heiden, also alle, die nicht christlichen Glaubens sind.
  • Wovon uns das "helle Licht der Aufklärung" befreit hat, muss man mit Blick auf die Glanzleistungen der katholischen Kirche in der Zeit vor eben jener Aufklärung wohl nicht aufzählen.
  • Das die Katholische Kirche immer noch vom Reichskonkordat (1933) zwischen Hitler und der katholischen Kirche profitiert, bzw. sich durch opportunistisches Verhalten den Nationalsozialisten angebiedert hat und eben nicht gezielt verfolgt wurde, scheint Mixa vergessen zu haben.
  • Schweden, Dänemark und Norwegen – einige der Länder in denen die Zahl der Atheisten und Agnostiker besonders hoch sind, sind ja bekanntlich "die Hölle auf Erden".
  • Wie sich die katholische Kirche um das Wohl der Kinder sorgt, bewies sie mit der liebevollen Fürsorge (verlinkter Artikel ist auf Englisch), die sie (in antiker griechischer Tradition) ihren Messdienern angedeihen ließ. Die "brutalstmögliche Aufklärung" dieser Fälle beinhaltete Zahlungen in Höhe von vielen Millionen Doller, medienwirksame Treffen des Papstes mit handverlesenen Opfern, das Vertuschen von Beweisen, sowie die Versetzung von vielen Tätern auf andere Posten.
  • Auf wessen Seite Christus stand kann ich nicht beurteilen, dass die katholische Kirche aber hauptsächlich auf ihrer eigenen Seite steht zeigt sich seit fast 2000 Jahren.
Mixa als Vertreter einer Organisation mit einer reichen Tradition von Unterdrückung, Folter, Massenmorden, Opportunismus und persönlicher Bereicherung, sollte vielleicht etwas vorsichtiger in seiner Wortwahl sein, wenn er das nächste mal den Atheismus angreift.

Die Geburtenzahlen

Nachtrag zu Dyskalkulie bei Frau von der Leyen

Die Geburtenzahlen für 2008 sind veröffentlicht, und es war natürlich nicht das Jahr des Kaninchens mit einem neuen Babyboom. Viel mehr war es genauso wie befürchtet, die Geburtenzahl 2008 liegt bei 675 187, was einem Rückgang um circa 1% entspricht.
Vom Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (gibt es auch ein Ministerium für alleinstehende Männer mittleren Alters?) wurde diese Entwicklung nicht kommentiert, Frau von der Leyen sprach von einem "ungewöhnlichen Einbruch" im letzten Quartal - in der Tat ungewöhnlich, glasklare Zahlen, die man auch mit wildesten Schiebereien nicht positiv deuten kann.
Sowas kannte Frau von der Leyen noch nicht.

Lesenswert: Nachträge und Expertenmeinungen

Nachtrag zu Blog-Eintrag "Kinderpornographie"

Schon wieder ein angenehm sachlicher Bericht bei Stern Online, diesmal wenden sich Holger Witzel und Frauke Hunfeld in der Rubrik "Panorama" dem Thema Kinderpornographie zu. Was dabei herauskommt, ist ein umfassender Bericht über dieses schreckliche Thema, das leider in letzter Zeit vermehrt von Politikern für die Durchsetzung von strittigen Gesetzen missbraucht wird.
Der Schwerpunkt liegt auf der Ermittlungsarbeit und natürlich auch dem aktuellen Sperrgesetz, dessen Organisation (laut Stern.de) bewusst vom Innenministerium dem Familienministerium untergeschoben wurde. Fast schon amüsant, wenn es nicht so ein trauriges Thema wäre, ist die Anekdote vom Branchenverband ECO, die Anfangs vom Familienministerium auf eine "DSL-Sperre" angesprochen wurden - "jenes System, das aus Zahlencodes Seitennamen macht".
Abschließend regen die Journalisten Hunfeld und Witzel an, dass Frau von der Leyen sich lieber um ausreichend Therapieplätze für Missbrauchsopfer, und um angemessene Präventionsmaßnahmen für Pädophile kümmern soll (wie z.B. das Projekt "kein Täter werden").

In der aktuellen Ausgabe der c't befassen sich Holger Bleich und Axel Kossel mit der berüchtigen Sperrliste und kommen zu dem Fazit, dass wohl ausschließlich "Fritzchen Doof" von der DNS-Sperre am Besuch der gesperrten Seiten gehindert wird.
Außerdem werfen die beiden Autoren einen näheren Blick auf die wilden Zahlen, die Frau von der Leyen präsentierte und kommen zu einem ähnlichen Schluss, wie ich in einem meiner vorigen Blog-Einträge - Zahlen aus dem Familienministerium sind meistens Quatsch.
Ein großes Kompliment an stern.de und die c't, die sich vehement gegen den Missbrauch dieses Themas durch unser kompetentes Innen- und Familienministerium einsetzen.

4/09/2009

Lesenswert: Stern Online über die USK

Der Stern berichtet online in einem sehr entspannten Artikel, ganz ohne Hysterie oder Killerspiele-Gekreische über die Arbeit der USK. Der Pädagoge und USK-Mitarbeiter Eichhorst äußert sich dabei sehr nüchtern über geifernde Politiker und schlecht informierte Eltern.
Fazit: Lesenswert. Schön, dass über dieses Thema auch mal ohne Blut- und Sensationsgeilheit berichtet wird.

P.S. Ego-Shooter heißen nicht mehr Killerspiele, sondern Tötungstrainingssoftware - beim Aussprechen dieses Wortes bitte das Licht dimmen, die Stimme senken und hinterher ein gruseliges "huhuuu" anhängen, nur so kann dieser vom Bayerischen Innenminister Herrmann erfundene Begriff seine volle Wirkung entfalten.
In Anlehnung an Comedystreet empfehle ich Herrn Herrmann, den Begriff in ein paar Monaten durch die Steigerungsform "Ultrabrutale Schulmädchen-Verstümmelungs-Anstiftungs-Software" zu ersetzen. Nur so bleibt die abschreckende Wirkung erhalten.

4/08/2009

Peter Harry Carstensen vs. Werner Marnette

Ich komm ja kaum noch hinterher, bei den ganzen kapitalen Böcken, die unsere werten Damen und Herren Volksvertreter in letzter Zeit schießen!
Der neueste Fall also betrifft den netten Harry, der in der Vergangenheit eher dadurch in Erscheinung getreten ist, dass er sich von der BILD verkuppeln ließ, beziehungsweise als Profiteur der Uneinigkeit von SPD, Grünen und SSW in Schleswig-Holstein.
Nun ist also Werner Marnette (ehemaliger Wirtschaftsminister in SH) zurückgetreten und hat in einem kurz darauf von SPON veröffentlichen Interview kein gutes Haar an Herrn Carstensen, dessen Finanzminister Rainer Wiegard und den Verantwortlichen der HSH Nordbank Hans Berger und dessen Nachfolger Dirk Jens Nonnenmacher gelassen.
Da ist die Rede von Herrn Berger, der ohne eine einzige Zahl, ohne eine Notiz nach der Lehman Brothers-Pleite ins Kabinett kommt und sagt, dass bei der HSH Nordbank alles in bester Ordnung sei; Von Finanzminister Wiegard, der alle kritischen Fragen nach Zahlen, nach Fakten abwürgt und nicht zuletzt ist die Rede von Herrn Carstensen, der auf Nachfragen einfach nicht reagiert, sondern sich lieber öffentlich darüber lustig macht, dass sein Minister Marnette versucht, seine Arbeit verantwortungsvoll zu erledigen.
Dabei war es nicht mal so, als würde die HSH Nordbank besonders gut dastehen, von 2006 auf 2007 hatte sich der Gewinn von 1,2 Milliarden auf 150 Millionen um fast 90% reduziert - 2008 steht ein Verlust von 2,8 Milliarden zu buche.
Der Hamburger Anwalt Strate stellte nun Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der HSH Nordbank, gegen Marnette wird voraussichtlich wegen "Geheimnisverrats" ermittelt. Was für ein Hohn, da steht einer auf und benennt die skandalösen Zustände, die Inkompetenz und Ignoranz in der Politik und muss dafür mit einer Anzeige rechnen. Marnette sieht der Anzeige aber gelassen entgegen, er habe nur die Wahrheit gesagt.
Von einer Anzeige gegen Carstensen, bzw. von einem Rücktritt, oder zumindest einem Eingeständnis von Schuld ist natürlich keine Rede.
Nachtrag: Marnette zitiert Carstensen mit den Worten: "Und lassen Sie sich nicht vom Geschwätz aus dem Kreis der CDU-Fraktion irritieren. Das sind Leute, die ihre Hausaufgaben in ihrer Schlosserei oder ihrem Elektrogeschäft nicht hinkriegen, die aber hier große Finanzwelt spielen wollen." - das aus dem Munde des studierten Agrar-Ökonom Carstensen, der seine Expertise ja eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.

4/03/2009

Selektive Dyskalkulie bei Frau von der Leyen diagnostiziert!

- Frau von der Leyen sagt: "[...] Die polizeiliche Kriminalstatistik weist seit Jahren einen Anstieg bei der Verbreitung von Kinderpornographie aus. Im Jahr 2007 hat sich die Zahl im Hinblick auf die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet mehr als verdoppelt (111%).."
- Die polizeiliche Kriminalstatistik sagt (Punkt 1430 und 1432): "[...] im Jahr 2006 2897 Fälle, im Jahr 2007 2872 Fälle von Verbreitung von Kinderpornographie, was einem Rückgang von ca. 0,9% entspricht".
- Anmerkung: Gestiegen ist dagegen die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit "Besitz/Verschaffung von Kinderpornographischen Schriften" (um 94,3% von 2006 bis 2007).
- In einer Pressemitteilung des BKA vom 27.08.2008 nennt dieses zum Punkt "Besitzverschaffung" den Zuwachs von 111% von 2936 auf 6206 Fälle (2006-2007). Was nun der Unterschied zwischen Besitz/Verschaffung (8832 Fälle im Jahr 2007) und Besitzverschaffung (6206 Fälle im Jahr 2007) ist, kann mir bitte ein Jurist erklären.
Anmerkung: Zu beachten ist dabei allerdings, dass die höhere Zahl der in der Kriminalstatistik aufgeführten Straftaten im Zusammen hang mit Besitz/Verschaffung und Besitzverschaffung zu einem Teil auch auf verbesserte Ermittlungsmethoden der Polizei zurückzuführen ist. Ob also die tatsächliche Zahl der Fälle von Besitz/Verschaffung und Besitzverschaffung gestiegen ist, oder ob nur in mehr Fällen ermittelt wurde, geht aus der Statistik des BKA nicht hervor.

- Das Familienministerium freute sich in einer Pressekonferenz über den explosionsartigen Zuwachs bei der Geburtenrate, 3397 Babies mehr als im Vorjahr.
- Das entspricht übrigens nicht 1%, wie der Spiegel online vermeldete, sondern lediglich 0,66%.
- Wie auch immer, hier wurde etwas getrickst, es handelt sich natürlich nicht um die Zahlen der Jahre 2007 und 2008, sondern um die ersten neun Monate der beiden Jahre. Ein Blick in die vorläufigen Monatsergebnisse macht klar, warum das Familienministerium zu diesem Trick gegriffen hat. Der Oktober 2007 war besonders geburtenstark, der September 2008 auch - man setzt also die Grenze so, dass der geburtenstarke Monat des Vorjahres nicht berücksichtigt wird, der geburtenstarke Monat des aktuellen Jahres dagegen schon und so einfach kommt man zu "phantastischen" Ergebnissen, die leider absolut keine Aussagekraft haben.
Die Zahlen für Dezember 2008 sind noch nicht veröffentlicht, wenn der Dezember aber nicht gerade der Sensationsmonat mit ca 60.000 Geburten war, dürfte die Geburtenzahl 2008 bei ca. 670.000 Geburten liegen und befindet sich damit seit Jahren im stetigen Rückgang.

Bei carta.info gibt es noch mehr Informationen zur von der Leyenschen Zahlenschieberei.

Fazit: Äußerungen von Frau von der Leyen sollte man - wenn überhaupt - nur mit großer Vorsicht genießen!

Nachtrag: Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist nur begrenzt aussagekräftig, weil sie lediglich Auskunft über die Zahl der aufgenommenen Ermittlungsverfahren gibt, nicht aber über die Zahl der tatsächlichen Straftaten.

4/01/2009

Kinderpornographie...

Mit Kinderpornographie als Begründung kriegt man alles durch (und wenn es nicht gegen Kinderpornographie geht, wird das Zielobjekt halt mit Kinderpornographie auf eine Stufe gesetzt, aber das war ein anderes Thema).
Zurück zum Thema, es geht natürlich um die berüchtigte Sperrliste, die schon unter anderem in Finnland (Link auf Englisch), Australien und Dänemark unter dem Vorwand, etwas gegen Kinderpornographie zu unternehmen, eingeführt wurde. In Finnland (Stand 19.02.2009) betrafen 0,9% der Einträge auf der Sperrliste tatsächlich Kinderpornographie, der Rest der gesperrten Seite behandelte legale Pornographie (83,9%), Seiten die mit Pornographie überhaupt nichts zu tun hatten (5,3%), oder Seiten von Kritikern der Sperrliste, sowie einige, die nicht eindeutig als legal, oder illegal zu identifizieren waren.
Nun ließe sich natürlich argumentieren, dass die 0,9% der Seiten am Leid vieler Kinder schuld sind und der Kollateralschaden deswegen in Kauf genommen werden kann. Wenn dem denn so wäre, würde ich sofort zustimmen, laut Udo Vetter (Lawblog) ist das nicht so.
Er widerspricht der von der Leyenschen Behauptung, dass eine "Kinderpornoindustrie" existiere, die monatlich Millionenumsätze mache. Aus seiner beruflichen Erfahrung als Anwalt schildert er, dass Kinderpornographie zum größten Teil aus Missbrauch in der Familie entstehe und dass das Material im Allgemeinen unentgeltlich in der Szene getauscht werde. Der Kontakt in der Szene werde dabei über Tauschbörsen, Newsgroups, oder Chaträume geknüpft - alles Bereiche, die von der Sperrliste nicht betroffen wären (mehr Details dazu im oben verlinkten Blogpost von Udo Vetter).
Interessant auch, dass die meisten Seiten, auf den Sperrlisten, in den USA, Australien und der EU betrieben werden. (Quelle: scusiblog) Noch interessanter ist die Anekdote von der stark grenzwertigen Seite, die über ein Jahr auf einer Sperrliste stand, ohne das etwas passierte - als ein User den Provider, der die Seite hostete auf die Seite aufmerksam machte, war die Page innerhalb von zehn Minuten offline (Nachzulesen in dem oben genannten Eintrag auf scusiblog).

Und nun kommt Frau von der Leyen, die mit Zahlen und Fakten ja sowieso ihre Probleme hat (dazu auch mein Blogeintrag), argumentiert mit einer angeblich millionenschweren "Industrie" für eine Sperrliste, die erwiesenermaßen wirkungslos ist und kein Politiker sagt etwas dagegen - traurig!

Nachtrag: Carechild unternimmt einen Versuch, der das hysterische Gebahren der beteiligten Politiker in keinem guten Licht erscheinen lässt. Unbedingt lesenswert!