8/19/2010

Street View #2

Die Debatte ist so deutsch wie Pickelhaube und Bratwurst. Lauter Experten, die offensichtlich keine Ahnung vom Thema haben, verbreiten eine gewaltige Hysterie, an vorderster Front steht wie immer die BILD (immer dabei, wenn Persönlichkeitsrecht und Privatsphäre verletzt... ääh verteidigt werden) und bedruckt ihr Klopapier mit den finstersten Schreckensszenarien.
Völlig unbeachtet dabei bleibt, dass seit Jahren Sightwalk, ein kommerzieller Anbieter, genau das realisiert hat, was Google mit Street View jetzt in Deutschland einführt, dass tausende Privatmenschen auf Plattformen wie Panoramio uA Fotos von Privatwohnungen hochladen und mit Geodaten verknüpfen. Die Galerie der Zweifler ("Google dringt viel zu sehr in meine Privatsphäre ein. Das will ich um alles in der Welt verhindern.") auf bild.de wird zur Lachnummer, wenn die besorgten Menschen sich den zig Millionen bild-Lesern mit Foto, Name, Alter, Beruf und Wohnort vorstellen und sich gleichzeitig "beobachtet fühlen", weil sie ja jetzt durch Google unter ständiger Überwachung stehen (siehe auch Ludwig Hillesheim).
Dem gleichen Irrtum ist anscheinend auch Rainer Wendt von der Polizeigewerkschaft erlegen, der zur Zeit überlegt, ob man Google Street View vielleicht für virtuelle Streifenfahrten nutzen könnte.

Würde Google genau diesen Menschen alle paar Monate ein paar Rabattgutscheine schicken, hätten wahrscheinlich schon zig Millionen freiwillig ihre intimsten Daten preisgegeben (siehe Payback, Deutschland-Card, etc.).
Eine ebenfalls oft geäußerte Sorge ist, dass Terroristen Street View für die Vorbereitung von Anschlägen nutzen könnten. Das gute alte Totschlag-Argument zweiter Klasse - nicht so bedrohlich wie das Totschlag-Argument erster Klasse (Kindesmissbrauch), aber dafür universeller einsetzbar. Ich prophezeie schon mal, dass spätestens zum Start von Street View konstruierte Fälle von Kindesmissbrauch mit Hilfe von Street View durch die Medien gejagt werden, um den Volkszorn wieder zum Kochen zu bringen.
Also nochmal zum Mitschreiben für Collien Fernandez, Rainer Wendt und alle anderen, die sich von ihrer Dummheit/Uninformiertheit nicht davon abhalten lassen, Drohkulissen aufzubauen. Vor zwei Jahren wurden Fotos gemacht, diese Fotos werden ins Netz gestellt. Das ist keine Live-Übertragung und man kann auch keine Streifenfahrten mit Street View machen, außer man möchte Verbrechen aufklären, die zufällig vor zwei Jahren in dem Moment begangen wurden, als der Kamerawagen vorbeigefahren ist.
Und jetzt beruhigen sich bitte alle wieder, das Sommerloch ist bald vorbei, dann kann wieder über Dienstwagen- und Bonusmeilen-"Affären" berichtet werden.

Nachtrag: Hier ist das Haus von Ludwig Hillesheim, seit langem gut sichtbar in Microsofts Suchmaschine bing! - und keinen interessierts. Wie man übrigens gut erkennt, wären Hillesheim und seine Gang von Street View nur am Rande betroffen, weil ihr Reihenhaus über einen Fußweg erreichbar, und damit von der Straße nur sehr begrenzt einsehbar ist. Hauptsache meckern...

Zum Abschluss gibt's noch was zu lachen, spon befragt eine Elektrikerin aus Oberbayern (die durch einen unglücklichen Zufall Bundesministerin geworden ist) zum Thema Street View. Frau Aigner fühlt sich überrumpelt, nachdem drei Jahre lang die Autos durch deutsche Städte gefahren sind, geht Google nun tatsächlich dazu über, die gesammelten Bilder auch zu nutzen und gibt den Termin nur ca. zwei Monate vor dem Start bekannt. In Oberbayern vergeht die Zeit anders, zwei Monate sind weniger als der Zeitraum zwischen Heuernte und Adventszeit - das ist ein Wimpernschlag. Solche rasend schnellen Abläufe kann Frau Aigner nur schwer überblicken.

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